Bühne


Krise im Schiffbau

Einbruch um 90 Prozent.

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Hat das Schauspielhaus noch einmal Glück gehabt.

Sonstiges


Nobelpreis — Journalistenpech

Gewisse Ereignisse kann man auf der Redaktion gut im Voraus planen, zum Beispiel die Verleihung des Nobelpreises. Man geht die Liste der Anwärter durch, überlegt sich bei jedem, was man bei ihm schreiben würde, beziehungsweise, mit welchem Experten man über den jeweiligen Autoren sprechen könnte.
Das wurde alles gemacht, die Experten im Voraus avisiert, schliesslich möchte man sie im Falle des Falles möglichst rasch am Apparat haben. Über den meistgenannten Favoriten, den Italiener Claudio Magris ist das Interview bereits geführt, der Kabarettist Massimo Rocchi war des Lobes voll für den Autoren.
Aber bekanntlich kam alles anders. Um 13 Uhr hiess es: «Der Nobelpreis geht an Jean-Marie Gustave Le Clézio.» – «Hä? An wen?», so die erste Reaktion. Was jetzt? Ein Anruf an Andreas Isenschmid nach Berlin. Er könne nichts dazu sagen, er habe erst ein Buch von Le Clézio gelesen. Versuchen wir’s doch mal mit dem Romanischen Seminar der Uni Zürich. Fehlanzeige, die Professoren seien alle nicht da, so die Sekretärin. Beim Institut für Französische Literatur in Bern ist die Professorin freudig überrascht über den Anruf, sie hatte noch nichts von der Preisbekanntgabe gehört. Etwas sagen könne sie aber nicht, sie müsse gleich in eine Vorlesung. Dafür empfiehlt sie, einen Professor in Neuenburg anzurufen. Der besagte Professor fühlt sich aber nicht befugt, er sei auf das 19. Jahrhundert spezialisiert. Beim Verlag Kiepenheuer & Witsch, wo die Bücher des Nobelpreisträgers auf Deutsch herauskommen, ist man total überrumpelt, Auskunft könne man frühestens am späteren Nachmittag geben — zu spät für einen Online-Redaktor. Nächster Versuch: Die zwei französischsprachigen Buchhandlungen in Zürich. Doch bei beiden können die auf Literatur spezialisierten Buchhändler nicht mehr sagen als: «Doch doch, wir habe Le Clézio im Angebot, er verkauft sich nicht so schlecht.»
Na ja, schreibt man halt sonst was, nachzulesen unter dem Titel Kaum jemand kennt den Nobelpreisträger. Immerhin, das Interview mit Massimo Rocchi ist für das nächste Jahr bereits im Kasten.

Bühne


Neumarkt: Die jungen Biederen

So ein Startwochenende ist für eine neue Direktion nicht einfach. Im Publikum sitzen lauter Kritiker und Fachleute, alle Augen sind auf das Direktorenduo gerichtet, nie mehr werden Weber/Sanchez so viel Aufmerksamkeit erhalten, wie dies in den letzten zwei Tagen der Fall war.
Das erste Fazit ist ernüchternd. Vielleicht auch, weil die Erwartungen hoch, wahrscheinlich zu hoch waren. Die jungen Wilden, die man sich erhofft hat, haben sich als die jungen Biederen herausgestellt. Auf eine harmlose Filmadaption folgte eine harmlose Musicaladaption. Und beide Male sass man im Publikum und fragte sich: Warum tun die das? Inhaltlich brachten beide Stück kaum eine Erkenntnis, formal fehlte jeglicher Mut oder Wille zum Experiment. Zum ersten Stück, «Der Boss von allem» unter der Regie von Rafael Sanchez, meint Kollege Peter Müller zu recht:  «Wo der Film raffiniert bös ist, bleibt Sanchez` Inszenierung mässig lustig und harmlos.» Bei «Hair Story» zeigt uns Post-Hippie Barbara Weber, wie sie sich die Hippies vorstellt. Und bleibt bei lauter Klischees hängen. Immerhin: Wenn nicht das langweilige Fachpublikum (der Schreibende eingeschlossen) im Saal sitzt, könnte bei den vielen eingängigen Liedern durchaus Stimmung aufkommen.
Vielleicht wollten Weber/Sanchez zum Start auf der sicheren Seite stehen. Sie haben auf leichte Kost gesetzt, jegliches Risiko gescheut — und verloren. Hoffnung für die kommenden Projekte macht das Ensemble: Schauspielerisch vermochten beide Abende zu überzeugen. 

Bühne


Pereiras Schweiz, Pereiras Fernsehen

Screenshot SF

«Meine Schweiz, mein Fernsehen», sagt Opernhaus-Direktor Alexander Pereira in einem Image-Spot des Schweizer Fernsehens. 
Wer es schafft, zwei Mal das gesamte SF-Abendprogramm auf den Kopf zu stellen, darf fürwahr den Schweizer Sender sein eigen nennen. Selbst als Österreicher.

 

 

Kunst/Museen


Dada siegt: Zürich will nicht nur Kuschel-Kultur

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Das Zürcher Volk will weiterhin ein lebendiges Cabaret Voltaire. Beim Schauspielhaus-Kredit vor ein paar Jahren stimmten noch 53 Prozent Ja. Jetzt, bei einem zwar viel kleineren, von der Brisanz her aber vergleichbaren Kulturkredit, 65 Prozent. Wenn man bedenkt, wie wenige Leute überhaupt wissen, was das Cabaret Voltaire genau ist, geschweige denn je darin waren, ist dies ein ausserordentliches Resultat.
Das klare Ergebnis zeigt: Zürich will nicht nur Kuschel-Kunst. Sondern auch Kunst, die aneckt, die weniger gemütlich und weniger einfach fassbar ist, als bloss ein paar Gemälde an der Wand. Das Wahlergebnis ist aber auch eine Absage an die Zensur-Versuche des Trägervereins und des Präsidialdepartementes, die immer dann einsetzten, wenn die (Gratis-)Presse über ein angeblich provokantes Projekt schrieb.
Im Trägerverein ist nun ein Wechsel fällig: Präsident Guido Magnaguagno stand in schwierigen Zeiten nie hinter dem Leitungsteam, im Abstimmungskampf glänzte er durch Abwesenheit. Er muss nun durch jemanden ersetzt werden, der mit Leidenschaft hinter der Sache steht. Jean-Pierre Hoby war dem Direktions-Duo gegenüber sehr kritisch eingestellt, hat sich aber mit aller Kraft für die Weiterführung eingesetzt. Jetzt sollte er sich dafür einsetzen, dass die Statuten so geändert werden, dass die künstlerische Direktion mehr Autonomie, aber auch mehr Verantwortung für den Betrieb erhält – wie das in einem modernen Kulturbetrieb üblich ist. Dass Kulturbeamte Einfluss auf das Programm nehmen können, wie das bisher der Fall war, darf nicht sein.
Jedenfalls: Für das Cabaret Voltaire war diese Abstimmung das Beste, was ihm passieren konnte. «Dada siegt», hiess es auf dem Plakat von 1920. Das gilt bis heute.

Bericht auf tagesanzeiger.ch: hier.

Literatur


SBVV gegen Ex Libris: Verzweiflungstat

Ja, ich geb’s zu: bei der letzten Ex-Libris-30 Prozent-Rabatt-Aktion auf das gesamte Sortiment habe ich auch zugeschlagen und einige teure Sachbücher bestellt. Aber: wenn ich an der kleinen Buchhandlung vorbeifahre und mich ein Roman interessiert, so ist es mir eigentlich egal, ob er 20 oder 25 Franken kostet.
Nun geht der Buchhändler- und Verlegerverband SBVV also juristisch gegen Ex Libris vor. Die Klage ist völlig deplatziert, in mehrfacher Hinsicht. Der SBVV hatte unermüdlich proklamiert, dass durch die Aufhebung der Buchpreisbindung mit Ausnahme der Bestseller die Bücher teurer würden. Deshalb sei die Aufhebung der Buchpreisbindung auch für die Konsumenten schädlich. Ex Libris hat aber die Preise aller Bücher gesenkt – dadurch verliert der SBVV sein wichtigstes Argument für die Wiedereinführung der Buchpreisbindung.
Bei der Diskussion geht auch vergessen, weshalb die Buchpreisbindung in der Schweiz so stossend war: In der Schweiz wurden viel höhere Preise für die Bücher verlangt als in Deutschland. Die Folge: man bestellte die Bücher bei Amazon.de zum billigen deutschen Tarif. Kein Wunder kam das Geld für die Kampagne des SBVV gegen die Abschaffung aus Deutschland. Der deutsche Verband machte für die Kampagne mehrere Hunderttausen Franken locker — die Schweizer nahmen dieses Geld erstaunlicherweise dankend an.
Der grösste Profiteur einer Wiedereinführung der Buchpreisbindung wäre nicht der Schweizer Buchhandel, erst recht nicht der Leser, sondern Amazon Deutschland. Anstatt teure, völlig chancenlose Klagen in die Welt zu setzen, sollte der SBVV seine Energie besser in neue Ideen stecken. Zu denken geben sollte dem SBVV auch, dass die innovativsten Buchhändler und Verleger über den verzweifelten Kampf des SBVV um die Buchpreisbindung nur den Kopf schütteln.

Nachtrag: Ex Libris hat den Auslöser der Klage, den falschen Preis beim Franz-Hohler-Buch, umgehend korrigiert. Rechts der tiefe Preis im Inserat vom Freitag, links der höhere im Inserat in der Sonntagspresse:
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Bühne


Weber/Sanchez: Die ganze Sympathie und Mike Müller auf ihrer Seite

Sie haben sich herausgepützelt, Barbara Weber und Rafael Sanches, in schwarzer Kleidung vor schwarzem Vorhang präsentierten sie heute im Theater Neumarkt ihr Programm und Ensemble. Viele Filmstoffe, einige Uraufführungen und einige berühmte Regie-Namen machen den Kern ihres Programmes aus. Martin Kusej kann künftig zwischen Opernhaus und Neumarkt hin und her pendeln – seine Zürcher Durchschnittsgage dürfte damit um einiges sinken, aber immer noch über dem deutschsprachiges Theaterniveau bleiben. Auch Stefan Pucher und Stephan Müller kennt man in Zürich bzw. im Neumarkt gut, sie sind die Versicherung für den Publikumserfolg.
Weber/Sanches habe die ganze Sympathie und Mike Müller auf ihrer Seite — sie wirken voller Energie, voller Tatendrang, voller Schalk. Es würde niemanden erstaunen, wenn die zwei Mattias Hartmann in seiner letzten Saison in Zürich die Show stehlen würden. Am 2. Oktober geht’s los, endlich.

Bühne


Der Niedergang des Bernhard-Theaters

Kaum jemand bedauert mehr den Niedergang der Zürcher Boulevard-Bühne — das Casinotheater Winterthur hat das Traditionshaus mehr als ersetzt. In der Tagespresse ist das Bernhard-Theater aber immer noch unter «Zürcher Theater» aufgeführt:

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Das Opernhaus wird dort bald eine Probebühne einrichten, damit dürfte die Bernhard-Theater-Rubrik endgültig aus dem Theaterkalender verschwinden.
Das Cabaret Voltaire darf kein Sex-Casting mehr durchführen, die Miss Bikini Wahl erscheint nicht mehr im Theaterkalender — was für ein Kulturverlust für Zürich.

Bühne


Theater: Auf die Erweiterung folgt die Finanzkrise

Anmerkung: Aus diesem Blog-Eintrag ist ein Artikel auf tagesanzeiger.ch geworden, siehe hier. 

In Basel fordert der Verwaltungsrat des Theaters 15 zusätzliche Millionen, sonst müsse bei der Qualität abgebaut, im schlimmsten Fall sogar das Ballett abgeschafft werden. In Zürich verzichtet Schauspielhaus-Direktor Matthias Hartmann auf Neuproduktionen im Schiffbau, wegen Geldmangel. Diese Ankündigungen sind nicht bloss Druckmittel, um hoffentlich an neues Geld zu kommen, bei beiden Institutionen ist die finanzielle Lage tatsächlich besorgniserregend.
Weshalb ist das ausgerechnet beim Zürcher Schauspielhaus und beim Theater Basel der Fall? Beide Institutionen haben in den letzten zehn Jahren räumlich stark ausgebaut: das Schauspielhaus mit dem Schiffbau, das Theater Basel mit dem Schauspielhaus. Die Subventionen hielten mit dem Ausbau nicht Schritt, die Zuschauerzahlen sanken sogar.
Erst die Erweiterung, dann die finanziellen Probleme – falls dies zur Regel wird, trifft es als nächstes die Stadttheater in Bern und St. Gallen. Beide haben erst kürzlich ausgebaut, St. Gallen mit der Lokremise, Bern mit den Vidmar-Hallen. Es könnte also eine nationale Theater-Finanzkrise auf uns zukommen.

Bühne, Sonstiges


Aktuelle und zukünftige Serien-Stars

Das Theater Neumarkt hat bekanntlich eine neue Direktion, am 2. September um 11 Uhr präsentiert sie den Medien ihre Pläne und ihr neues Ensemble. Das Schweizer Fernsehen hat bekanntlich eine neue Arztserie, am 2. September um 11 Uhr dürfen sich die Medien die ersten zwei Folgen anschauen. Das eine hat mit dem andern nichts zu tun, mag sich manch einer denken. Aber halt! Ziemlich viele Ex-Neumärktler haben bei Film und Fernsehen Fuss gefasst, bei “Lüthi und Blanc” waren mehrere mit dabei, bei der Arztserie “Tag und Nacht” spielt Daniel Rohr mit wohl nicht als einziger. Und so kann man folgern: Am 2. September um 11 Uhr werden beim Bahnhof Stadelhofen die aktuellen Serien-Stars vorgestellt, im Theater am Neumarkt die zukünftigen.

Sonstiges


Kongresshaus: Unrealistischer Vorschlag aus schlechtem Gewissen

Aus Missgunst haben einige einheimische Architekten das Kongresshaus von Moneo bekämpft – über ihren Erfolg waren sie wahrscheinlich selbst überrascht. Offenbar ist ihnen nicht mehr ganz wohl in ihrer Haut, deshalb kommen sie jetzt mit einem gut klingenden, aber völlig unrealistischen Vorschlag: Aus dem alten Kongresszentrum ein Kulturzentrum zu machen. Man nehme das Wort Kultur in den Mund — das wirkt immer nach einer hehren Absicht, mögen sich die Architekten gedacht haben.  
In Zürich ein weiteres grosses Kulturzentrum zu etablieren ist etwa so realistisch, wie ein Becken für einen zweiten See auszuheben. Man sehe nur, wieviel Mühe schon die bestehenden Häuser haben, zu mehr Subventionsgeld und Besuchern zu kommen. Vor der Erneuerung des Theater 11 hätte man noch sagen können, man könnte das kommerzielle Theater von Oerlikon in an den attraktiven Standort in die Stadt holen — aber dafür ist es zu spät.
Jedenfalls: Mit einem solchen Vorschlag werden die Verhinderer-Architekten den Schaden nicht wettmachen können, den sie angerichtet haben.

Kunst/Museen


Dada-Polizei

Die Dada-Polizei macht Wahlkampf. kulturblog.ch macht mit: 

Sonstiges


Jedem Festival die Promigäste, die es verdient

Bis Ende des Filmfestivals Locarno werden fünf Bundesräte dort gewesen sein, weiss heute die Aargauer Zeitung. Das Filmfestival wird zum Politiker-Treffen. Ganz anders das Lucerne Festival. Dort sind zwar auch immer ein paar Politiker vertreten, hauptsächlich zeigt sich dort aber die Wirtschaftselite.
An Festspielen im angrenzenden Ausland ist das gleiche Phänomen zu beobachten: Nach Bayreuth gehen die Politiker, nach Salzburg die Wirtschaftsführer. Prominenz bleibt offenbar gerne unter sich; aufgeteilt nach den Promi-Kategorien Show, Wirtschaft und Politik. Kommt einer, kommen die andern auch. Doch weshalb gehen die Politiker ausgerechnet nach Locarno und die Wirtschaftsführer nach Luzern – und nicht umgekehrt? Der Schluss liegt nahe: Sie folgen ihrem Geld. Locarno ist hochsubventioniert, das Lucerne-Festival finanziert sich vorwiegend über Sponsoring-Gelder.
Und wohin geht die Showprominenz? Vielleicht dorthin, wie sie nicht mit Politikern und CEOs posieren muss? Jedenfalls: Jedes Festival erhält jene Promi-Gäste, die es verdient.

Bühne


Gutmensch-Spektakel

“Wir brauchen keinen Drittweltbonus”, sagt der neue Leiter des Zürcher Theaterspektakels, Sandro Lunin, in der NZZ am Sonntag. Aufpassen, dass das Theaterfest nicht zum Gutmensch-Spektakel wird, muss er aber schon.
Das Festival als CO2-Neutral zu verkaufen, ist o.k. – es ist heute usus, mit einem solchen Label den mit Autos heranfahrenden Kunden ein gutes Gewissen einzuflössen. Problematischer ist, dass Lunin ein Teil des Programms neu durch Calmy-Reys Deza finanzieren lässt — wie schon bei seiner früheren Wirkungsstätte, dem Berner Schlachthaus. Zwar ist es durchaus positiv, dass am Theaterspektakel die Dritte Welt stark vertreten ist, aber die Auswahl soll klar nach künstlerischen und nicht nach irgendwelchen entwicklungshelferischen Kriterien erfolgen. Selbst wenn dies bei Lunin nicht der Fall sein sollte: Wenn man solche Geldquellen anzapft, gerät man in Verdacht, dem Künstlerischen nicht absolute Priorität einzuräumen.

Sonstiges


Künstlerduo Nef / Roschacher

Bundesanwalt Valentin Roschacher wurde nach seinem unfreiwilligen Abgang Kunstmaler. Vielleicht geht nun auch der zurückgetretene Armeechef Roland Nef unter die Künstler und macht sein Hobby, das Klavierspielen, zum Beruf. Nun ja, eine Anstellung im Opernhaus kommt wohl nicht mehr in Frage… Aber Roschacher und Nef könnten sich das Atelier, bzw. den Übungsraum teilen — und ihre Vergangenheit gemeinsam mit Berg- und anderer Romantik vergessen machen.