Zitroneneis

die allerletzte Hitzewelle
hatte sich in den Oktober verirrt
Frauenhaut die mit Herbstlaub harmonierte
eilige Rennräder auf der Flucht
vor dem früheren Abend
sogar eine Sonnenbrille war noch chic
und stöckelte erhaben an uns vorüber
und wir machten die Äuglein klein
im grellen Licht der Erkenntnis
und ich kaufte uns Zitroneneis
du sagtest lächelnd
da schmeckte sie dass es gut war
und wir lachten uns schief und glückselig

Karsten Paul

Published in: on Oktober 21, 2012 at 10:43  Hinterlasse einen Kommentar  
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Tiden-Pantum

Wie Salz das gerne Wasser zieht
Sitzt du ganz dicht vor mir
Dein Mund mein Forschungsschutzgebiet
Schon schmecke ich nach dir

Sitzt du ganz dicht vor mir
Dann denke ich ans Meer
Schon schmecke ich nach dir
Trink mich aus mach mich leer

Dann denke ich ans Meer
Sei Schaum der meine Lippen netzt
Trink mich aus mach mich leer
Die Zungen schon so abgewetzt

Sei Schaum der meine Lippen netzt
Dein Mund mein Forschungsschutzgebiet
Die Zungen schon so abgewetzt
Im Salz das gerne Wasser zieht.

Jörg Wiedemann

Published in: on März 16, 2012 at 6:54  Kommentare (4)  
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Goldgräberstimmung

die straße mit dem loch im socken
der geruch aus dem innern nostalgischer schränke
ein haarriss im abspann des blutleeren raums
ich bin der mit dem schienbein
fünfzigtausend küsse tief
in deine kugelsichere nacktheit vergraben
du bist das mädchen von der datumsgrenze
und tropfst entrümpelt in die stille
auf der dunklen seite des liedes
wir sind das volt
der brandfleck im schlitzohr des heiligen geistes
und was uns lockt am ewigen nichts ist der folgende tag
freundlich wie eine handgranate
auf der stirnseite des hochgekrempelten universums
(mit dem knochenmark gedacht)

Michael Zoch

Published in: on April 27, 2011 at 10:57  Kommentare (3)  
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LICHTSPIELE

Es kann an einem Kuss liegen.
Oder an einem nicht gegebenen Kuss.
Schwierig zu sagen.
Das Leben ist unregelmäßig und unvorhersehbar.
Wie eine gepanzerte Faust mit sentimentalen
Anwandlungen. Eine Tüte Eis
mit den Sorten Schokolade und Grapefruit.
Der Anschein von Liebe.
Morgenröte oder Dämmerung.
Je nachdem.

Martin Dragosits

Published in: on Mai 1, 2010 at 4:17  Kommentare (4)  
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Ansatz 12

ich gedenke deiner farben
und das gegenlicht des morgens züngelt mintgrün
durch den schlitz deines schwarzen kleides
du preßt deine brüste an die halsschlagader des himmels
gekrönt mit dir selbst und zu wiehern bereit
die 99 stufen bis zum reinsten aller punkte
vieles ist gott und unparteiisch in diesen minuten
da du nackt bist im innern und ohne eile eskalierst
dem leprakranken jahr aus den händen flutscht
ich gedenke deiner farben
und du spannst dein zimtbeiges gähnen zwischen die strassenbahnen
der vergessene tag tummelt sich irgendwo am stadtrand herum
die luft explodiert und die menschen pferchen sich in ihre masken
du bist das prasseln der seide auf dem boden der tatsachen
das grundfleisch mit dem stolz des raumes
schämst dich deiner lavareife und gehst aus jux und dollerei
von 6 bis 9 im heizungskeller auf den strich
weil das keiner so macht
ich gedenke deiner farben
und die schlaflosigkeit errichtet dich wieder
das wasser rauscht zwischen deinen flatternden schenkeln
und schmeckt nach verbrennenden lidern und staubigen blitzen
nach freitagnachmittag und paralleluniversen wo
zwei entlaubte körper mysterien feiern und künftiges tun
in den scharlachroten korridoren der erinnerung
aus wolfsgeheul geschnitzt

Michael Zoch

Published in: on April 21, 2009 at 8:28  Kommentare (18)  
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Alle Männer sind Schweine

Auf der höchsten Erkenntnisstufe des Emanzenbewusstseins herrscht bekanntlich die Einsicht, dass alle Männer Schweine sind, weil sie mental einfach nicht aus ihrem Chauvi-Suhlbad rauskommen.
Das wusste schon die gute Circe, als sie Odysseus’ Gefährten flugs mal in Schlachtvieh verwandelte. Doch wie in der alten Sage gelingt es auch hier im Clip mit einer List, den bösen Zauber zu durchbrechen: Die Obersau Odysseus weiß zwar, dass es für eine Romanze nicht reichen wird, aber sein tierischer Instinkt sagt ihm, dass die Frauen andererseits gar nicht so unamüsiert sind und er geht für alle Fälle schon mal Kondome kaufen…

indizierte US-Kondomwerbung “Banned Trojan Condoms Commercial”
(by dirty)

Published in: on August 23, 2008 at 5:35  Kommentare (2)  
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Tanz dich in meine Mitte

Tanz dich in meine Mitte
dreh dich
halt nicht an bis
die Sonnenkugeln
zu fließen
beginnen

Reiß’ meinen Himmel
auf
ein kleines Stück Samt
das tut nicht weh
verwirrt die Wolken
vielleicht

wirbelt Worte weiter
bis wir kreisen
gemeinsam sprühen
im weichen Fluss

Astrid Dornbrach

Published in: on August 9, 2008 at 12:00  Hinterlasse einen Kommentar  
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Die Sammlerin

Es ist ja nichts Neues oder sonderlich Unanständiges, dass sich manche Frauen Gipsabdrücke der erigierten Schwänze ihrer verflossenen Liebhaber in die Wohnzimmervitrine stellen. Sorgfältig mit Hand beschriftete Namensschilder auf den Marmorsockeln verleihen den Penisbesitzern den Nimbus des Unvergänglichen, einer in Wirklichkeit nie erreichten Härte, und ließen schon so manchen ehemals Geliebten beim späteren gelegentlichen Kaffeeplausch in Rinkas Wohnzimmer wohlig und sehnsüchtig erschauern.
Bei Rinka, meiner alten unerfüllten Jugendliebe, waren diese Erinnerungsstücke noch auf unvergleichliche Weise aufgehübscht. Auf jedem der kalkweißen Teile prangten karmesinrote Abdrücke ihrer sinnlich halbgeöffneten Lippen, auf manchem nur einer, auf manchem zwei, aber nie mehr als vier, je nachdem, wie oft ihr der Sinn nach dem Verzehr gestanden hatte.
Die Penisse, etwa 80 an der Zahl, standen wie die Soldaten des Kaisers von China mit weichem Licht ausgeleuchtet in einem Glasschränkchen auf zwei Regalebenen; in der unteren Reihe die 16er und länger, oben die Kürzeren. Das waren allerdings nicht so viele, denn Rinka war anspruchsvoll und erkannte meist schon auf den ersten Blick, was gut in sie passte. Deshalb war auf dem oberen Regal noch ein Eckchen frei für ein paar ziemlich dicke, aber maximal 12er-Stumpen, die keine Lippenabdrücke aufwiesen. “Ach, so weit hab ich damals meinen Mund gar nicht aufgebracht”, erklärte mir Rinka einmal augenzwinkernd auf meine diesbezügliche Frage, “und auf das Andere hatt’ ich dann schon gar keine Lust mehr.” Jetzt, ja jetzt wäre das schon was Anderes, meinte sie neulich scherzhaft, da tät so ein Stumpen gelegentlich schon passen.
Dabei wusste sie doch genau, dass sie sich auch jetzt noch meiner bedienen könnte, ich war ja noch gar nicht in der Sammlung. “Ne ne, lass man stecken!”, winkte sie dann jedesmal ab, wenn sie meinen lustvollen Unruheblick bemerkte, “mit dir mag ich’s einfach nur platonisch, du bist so ein wunderbarer kluger Kopf.” Na ja, klug war der vielleicht schon, aber halt nicht gerade besonders ansehnlich mit seiner schmalen, länglichen Schädelform.
So vergingen die Jahre zwischen uns geistreich plaudernd und kaffeetrinkend, und Rinkas Sammlung wuchs von Jahr zu Jahr langsamer, bis ich schließlich gar keine Neuzugänge mehr feststellen konnte. Wir sprachen zwar das Thema nicht an, aber ich sah in ihren Augen noch manchmal den Widerschein früherer Glut, wenn sie die Lesebrille abnahm und sich eine graue Strähne aus der Stirn strich.
Eines Abends, ich hatte ihr wie üblich einen seit unseren jugendlichen Bergsteigertagen so geliebten Strauß Edelweiß mitgebracht, bat sie mich mit einem verschmitzten Mädchenlächeln in die Küche. Es roch nicht wie sonst nach Kaffee, eher staubig, und Kerzen brannten in feierlicher Aufstellung auf dem Gewürzboard, dem Kühlschrank, dem Fenstersims und dem Küchentisch, in dessen Mitte ihre kostbare  Porzellanschüssel stand, fast bis zum Rand gefüllt mit einer grauen glibbrigen Masse.
Rinka führte mich heran, nahm mir mit einem zärtlich gehauchten “Hey Du!” die Brille ab, drückte mich in einen Stuhl und begann behutsam, mit der Sorgfalt einer Frau, die weiß was sie will, meinen glatzköpfigen Langschädel mit Gipsbinden einzuwickeln.

wf

- auch im ebook “Von Küssen & Musen”

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